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Ein Versuch der Überfahrt nach Italien

Letztes Reffen vor SonnenuntergangMethoni – Griechenland / „Flaute“ ist für viele Menschen ein neutraler Begriff. Für uns ist dieses Wort zu einem emotionalen Begriff geworden, denn wir verbinden damit keine guten Erinnerungen.
Aber erst Mal von Anfang an: Von unserem wunderschönen Ankerplatz in Kythera mussten wir am Nachmittag schnell wegfahren, denn unser Heckanker slippte und wir waren in der kleinen Bucht fast gefangen und mussten schnell hinausfahren, Steine überall und der starke Südwester drückte uns dort drauf. Es war schon spät am Nachmittag und so ankerten wir in einer Nachbarbucht, die gut gegen den Südwestwind abhielt an einem langen einsamen Sandstrand. Nichts spektakuläres – aber mit einem Spaziergang auf die venezianische Burg und einem letzten griechischen Abendessen wurde dann doch nichts mehr. Wir kamen deshalb auch nicht mehr dazu, noch frisches Obst und Gemüse für die lange Überfahrt nach Sizilien einzukaufen. Aber unser Essensschaps hatte noch genug zu bieten. Deshalb fuhren wir am nächsten Morgen nach einem letzten Check aller Geräte und unserem Boot los Richtung Italien.

Der Wind war genau richtig und so umrundeten wir Kythera, blickten noch auf die wuchtige Festung in der „Hauptstadt“ von Kythera – Kapsali – und los ging es bei guten 4 bis 5 Beaufort (mässige bis frische Brise bei 5 – 10 Knoten Wind) mit achterlichem Wind – ein Traumstart. So segelten wir rund 60 Seemeilen – und weitere 360 Seemeilen hatten wir noch vor uns. Wir strahlten uns an und dachten , so geht das jetzt bis Italien. Pustekuchen. Denn dann schlief der Wind ein und um uns herum kippelige hohe Wellen. Die Segel begannen zu schlagen, also nichts wie runter damit und abwarten. Es wurde dunkel und uns blieb nichts anderes übrig, als auf Wind zu warten. Es fühlte sich nicht sehr schön an, das Boot ging hoch und runter, wir kamen nicht vom Fleck. Wir hielten trotzdem Nachtwache. Und so richtig schlafen konnten wir nicht. Um uns herum sah man Lichter der Containerschiffe, denn wir saßen sozusagen auf der Schiffsstraße nach Athen. Aber diese fuhren in sehr großem Abstand an uns herum, keine Gefahr für uns.

Die Hoffnung stirbt zuletzt und so sagten wir uns, der Wind muss ja irgendwann einmal kommen. Doch auch den ganzen nächsten Tag saßen wir mitten im Ionischen Meer und warteten. Nun wissen wir, wie sich eine Flaute anfühlt. Nervenaufreibend, sie macht apathisch. Wir konnten nichts tun, denn wir wurden hin- und hergeworfen von den Wellen, kein Kochen, nicht einmal Lust auf einen Tee hatten wir. (Übrigens, Alkohol ist auf unserem Boot während einer Fahrt absolut verboten, also auch in einer solchen Situation.) Das Schlimmste waren dann die aufkommenden Winde. Bei jedem Wind ab 5 Knoten zogen wir die Segelklamotten an und setzten Segel. Wir segelten los und waren sooooo froh. Nach wenigen Minuten war dann wieder alles vorbei. Die Segel schlugen und unsere Chenoa schwankte wie betrunken auf den Wellen. Insgesamt vier Mal machten wir dieses Manöver. So hingen wir nochmals die ganze Nacht fest. Am nächsten Tag hatte ich dann einen kurzen Durchdreher, aber es blieb uns ja nichts andere übrig als abzuwarten. Nach einem ersten Tee kam Wind auf, wir glaubten es schon gar nicht mehr – aber auch nach etwas abwarten, war der Wind noch da. Also nichts wie rein in die Segelklamotten und los ging es. War das schön, wieder die Segel zu spüren und Bewegung im Boot. Wir waren beide überglücklich, doch wie es immer ist im Leben, jedes Glück hat einen kleinen Stich. In unserem Fall kam der Wind genau aus Westen und dorthin wollten wir ja. Es blieb uns also nichts anderes übrig als in den Norden oder Süden zu fahren. Wir entschieden uns für den Norden, denn nach Tunesien wollten wir definitv nicht (was noch ein paar Tage Segelei gewesen wäre …). Den ganzen Tag hatten wir dann guten Wind aus Westen, der bis zum Abend auf 20 Knoten/Stunde anstieg. Wir hatten inzwischen nur noch ein kleines Stück Genua draußen, das reichte aus. Auf unserem Plotter waren wir dann nach 60 Seemeilen an der Peleponnes, 20 Seemeilen von einem Hafen entfernt. Bevor wir die Nacht nun Richtung Norden weitergefahren wären, entschlossen wir uns, wieder in Griechenland an Land zu gehen. Die andere Alternative wäre immer weiter zu segeln bis der Wind sich dreht oder zu kreuzen, was bei einer so langen Distanz ein irrer langer Weg bedeutete (ca. dreimal so lang wie ursprünglich, wenngleich man das gar nicht so genau berechnen kann, denn der Wind kann sich wieder ändern, mal mehr mal weniger Wind oder wieder Flaute). Von daher ist eine Berechnung wie bei einer Autofahrt gar nicht möglich, nach dem Motto: 420 Seemeilen bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 Knoten/Stunde ergibt rund 84 Stunden gleich 3 ½ Tage bzw. ein Etmal von 100 Seemeilen (ein Schnitt der Geschwindigkeit innerhalb von 24 Stunden auf See). Wieder etwas dazugelernt…. Für alle, die also unseren Blog mitlesen und sich wundern, warum wir manchmal nichts schreiben – keine Panik, wir sind dann einfach mal wieder in einer Flaute (hoffentlich nie nie wieder), haben kein Internet oder lassen es uns einfach mal ohne Internetanschluss gut gehen.

So landeten wir kurz nach Sonnenuntergang im Hafen Methoni, in der Bucht ein mächtiges Fort und ein venezianischer Turm. Schnell ist der Anker im Wasser, Ankerkette rauslassen, Motor aus – Frieden und Ruhe setzte ein. Kein schaukeln, ruhige See. Das hatten wir schon lange nicht mehr, denn auch die vielen Anker- und Hafenplätze in den Kykladen waren bisher recht unruhig, denn die starken Winde, die immer wieder aus der verkehrten Richtung kamen und viel Schwell in den Hafen brachten, waren immer gegen uns. Noch ein Anlegerbierchen, Spaghetti mit Knoblauch und Restzucchini. Sogar das Abwaschen schenkten wir uns und nichts wie ab in die Kojen – nach 3 Tagen auf See mit Nachtwachen und unruhigen zwei- bis drei Stunden Schlafpausen.

Wir schliefen wie zwei Bären im Winterschlaf. Erst mal ein Kaffee im Cockpit bei strahlendem Sonnenschein, umschauen und dann Frühstück im Städtchen und Sightseeing des Forts. Wieder einmal mussten wir feststellen, wie viel Griechenland zu bieten hat. Überall ist es so schön! Über eine Stunde spazierten wir durch das venezianische Fort mit einem achteckigen Turm an der Spitze der Landzunge, ein imposanter Bau aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Heute werden wir noch bleiben, nochmals gut Essen und Trinken und dann werden wir unseren zweiten Anlauf starten. Den Wetterbericht haben wir studiert. Kein Sturm in Sicht für die nächsten sieben Tage, gutes Segelwetter in Maßen, ein Schwachwind bzw. Flautengebiet, wo wir nur hoffen, dass wir da nicht mehr sind, wenn der Wind einschläft und wir schätzen dann, dass wir sicher und gefahrenlos in rund sieben bis zehn Tagen in Italien sein werden. Diesmal etwas gelassener, denn wir wissen nun, dass wir alles so nehmen müssen, wie das Wetter es uns vorgibt.

In Gedanken an euch alle – besonders auf See, wenn wir über alles mögliche reden und überlegen, was wohl unsere Freunde und Familie zu Hause machen – grüßen euch
Nela und Stephan

PS: Sorry, wenn sich noch ein paar Fehlerchen eingeschlichen haben, aber der Kopf ist noch nicht so ganz beim Schreiben. Man möge es mir nachsehen.

 

PS 1: Im Moment sind wir bei „Castro“. Adam und seine Frau sind fantastische Gastgeber. Es sind ruhig und beschaulich, das Essen einfach toll, hausgemacht: Lamm mit Artischocken, Ich wollte wenigstens einmal Pastizio essen – und das war mit Liebe gemacht. Dann selbst eingelegte Anchovis von Adam als Vorspeise. Wenn ihr mal nach Methoni geht, dann zum „Castro“, ein ganz unscheinbares Restaurant ohne blau-weiß-Griechenlandflair. Aber sehr sehr warm.

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