Esslingen – Klack – ich ziehe die Wohnungstür leise hinter mir zu. Es ist Samstag, der 20. Dezember um 6 Uhr morgens. Heute ist ein besonderer Tag, denn es ist das letzte Mal, dass ich meine Wohnung verlasse. Ein neuer Lebensabschnitt liegt vor mir.Ich bin traurig, wehmütig. Kurze Zeit vorher stand ich in der leeren Wohnung, und schaute mich um – 20 Jahre habe ich darin verbracht. Im Kopf spult ein Film mein Leben nochmals ab. In Gedanken gehe ich die vielen Feste, die ich hier gefeiert habe, nochmals durch. Meinen 40sten und 50sten Geburtstag, Stephans 50ten Geburtstag, die guten Gespräche mit Freunden, die ruhigen Abende allein auf der Couch und später mit Stephan, als er von Kuwait zu mir einzog, die Abende, an denen wir zusammen gekocht haben, unser rituelles Pizzaessen am Sonntagabend. Zum letzten Mal gehe ich auf die Terrasse und blicke ins Tal – im Moment liegt alles noch dunkel und still vor mir, aber ich sehe im Geise die blühenden Obstbäume im Frühling vor mir, die blumenübersäten Wiesen im Sommer und die Obstbäume, die – vor allem in diesem Jahr – voller Äpfel, Zwetschgen, Mirabellen hingen. Dann der Herbst mit seiner bunten Laubfärbung. Immer wenn ich in meine Wohnung kam, abends nach der Arbeit, habe ich mich auf diesen Blick gefreut. Ich habe mich wohl gefühlt und meine Wohnung war meine Zufluchtsstätte, auch wenn es mir mal nicht so gut ging. Hier konnte ich mich sortieren und mich wieder der Welt stellen und Kraft tanken. Nun ist sie leer und auch das Ausräumen war ein emotionaler Kraftakt. So oft stolperte ich über etwas, was mich an eine schöne Zeit erinnerte, an Momente mit Freundinnen und Freunden, kleine Erinnerungsstücke, bei denen ich nun vor der Wahl stand – mich davon ganz zu verabschieden oder einzupacken, um dies für einige Jahre einzulagern. So brauchte ich und auch Stephan doch einige Zeit mit dem Ausräumen, obwohl wir uns, seit wir den Plan hatten, um auf ein Segelboot zu ziehen, sehr zurückgehalten hatten, etwas Neues anzuschaffen. Schon seit vier Jahren haben wir immer wieder versucht, unnötiges auszumustern. Trotz allem war es noch vieles, das wir verschenken, verleihen oder wegwerfen mussten. Einige Kisten von liebgewordenen Dingen sind in unser Haus nach Eggenfelden gewandert, die wir aufheben wollen. Nun packten wir zwei große Koffer und einen Seesack in unser kleines Auto, um nach Berlin zu fahren.
Wir fahren los, die Straße hinunter in die Stadt, an meiner Arbeitsstätte vorbei, auf die B10, Richtung Stuttgart. Ich schlucke ganz schön, als ich die Türme der Stadt, die Esslinger Burg von der B10 aus nochmals sehe. Nun geht es nach Berlin, wo wir uns um unsere Familie kümmern. Esslingen ade, es ist meine Heimatstadt und ich werde sie für einige Zeit nicht sehen. Noch trauriger bin ich, dass ich auch viele Freunde hier verabschiede, die ich in der nächsten Zeit nicht mehr treffen werde. Aber ich weiß, wir sind nicht aus der Welt und ich kann von jedem – fast jedem – Punkt der Erde mit allen kommunizieren. Das ist mir ein kleiner Trost.
Esslingen wird uns aber immer begleiten, denn auf unserem Schiff ist der Heimathafen am Heck angebracht – und dieser wird immer Esslingen bleiben.







